Kernaufgabe eines unternehmerischen Risikomanagementsystems, auch Enterprise Risk Management (ERM) genannt, ist die Bestandssicherheit des Unternehmens zu überwachen. Man muss sich dabei bewusst machen, dass jedes Unternehmen zu einem gewissen Grad in seinem Bestand gefährdet ist. Es ist eine wesentliche Aufgabe der Unternehmensführung, in enger Abstimmung mit den Eigentümern, in der Risikostrategie festzulegen, welchen Grad an Bestandsgefährdung man bereit ist einzugehen. Daher fordert der Gesetzgeber in Deutschland auch nur, mögliche bestandsgefährdende Entwicklungen früh zu erkennen. Es ist damit nicht zwingend das Ziel, die Bestandssicherheit zu erhöhen.
Wenn es nun Ziel ist, bestandsgefährdende Entwicklungen früh zu erkennen, bzw. die Bestandssicherheit zu messen, dann benötigt man eben ein entsprechendes Messkonzept. Traditionell (und vor einigen Jahren noch durchaus akzeptabel) wurde hierzu analysiert, ob das bestehende Eigenkapital ausreicht, den Gesamtrisikoumfang mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu decken. Dies greift inzwischen aber deutlich zu kurz.
Hierzu ist es stattdessen zunächst notwendig, überhaupt festzulegen, was für das Unternehmen eigentlich eine bestandsgefährdende Entwicklung darstellt. In welcher Situation muss sich das Unternehmen also befinden, dass man es als akut bestandsgefährdet ansehen kann. Dies kann man dann annehmen, wenn es die Unternehmensführung nicht mehr in der eigenen Hand hat, ob das Unternehmen fortführen kann. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Kapitalbedarf vorhanden ist, den Finanzierungspartner nicht mehr ohne weiteres bereit stellen können oder wollen. Da vor allem kurzfristig notwendige finanzielle Mittel durch Fremdkapitalgeber (häufig Banken) zur Verfügung gestellt werden, gilt es folglich, deren Kreditvergabepraxis ins Kalkül zu ziehen. Neben kurzfristigen Liquiditätsspitzen und der Verletzung von in Kreditverträgen akzeptierten Covenants (Verpflichtungen wie bspw. eine vorgegebene Eigenkapitalquote nicht zu unterschreiten) ist es damit eine Frage der Bonitätsbeurteilung des Unternehmens durch den Fremdkapitalgeber, ob und wie viel Kapital zu welchen Konditionen zur Verfügung gestellt wird. Ergebnis solcher Bonitätsbeurteilungen ist das Unternehmensrating. Rutscht dieses unter einer kritisches Niveau, so befindet sich das Unternehmen in einer bestandsgefährdenden Entwicklung.
Für die Unternehmen heißt das also, einzuschätzen, welches Rating es zukünftig in verschiedenen Szenarien erhält. Nur so kann beurteilt werden, ob beim Einschlag größerer Risiken das Unternehmen sich in einer bestandsgefährdenden Entwicklung befindet oder nicht. Damit ist Rating ein unverzichtbarer Bestandteil eines Enterprise Risk Management!