Der folgende Beitrag wurde auf kroatisch veröffentlicht unter Wolfrum, M. (2019): Sinergija upravljanja rizicima i kontrolinga, Kontroling, financije i menadžment, 2019, 10, S. 25-27. Er ist in enger Anlehnung an Wolfrum, M. (2018): Risikomanagement und Controlling: Status quo und Weiterentwicklungspotenziale im Überblick, in: Risk Management Association, Internationaler Controller Verein (Hrsg.): Vernetzung von Risikomanagement und Controlling: Grundlagen – Praktische Aspekte – Synergiepotenziale, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2018, S. 15-20.
Controlling und
Risikomanagement sowie ihre Integration im Rahmen einer Modernen Wertorientierung[1] sind wichtige
Teildisziplinen der Unternehmensführung. Eines der zentralen Anliegen
des Controllings ist die Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen. Da
grundsätzlich alle Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden müssen,
spielt auch die Kenntnis der damit verbundenen Risiken eine wichtige Rolle. Die
Kernaufgabe des Risikomanagements besteht darin, Risiken zu identifizieren und
zu überwachen, Risikoinformationen zu systematisieren, zu integrieren und
Aussagen zum Gesamtrisiko zu treffen. Dabei ist klar, dass nicht Einzelrisiken,
sondern der aggregierte Gesamtrisikoumfang für die Beurteilung der (freien)
Risikotragfähigkeit und den Grad der Bestandsbedrohung eines Unternehmens
maßgeblich ist. Dies sind damit wesentliche Begrifflichkeiten für das
Risikomanagement im Unternehmen, die zu konkretisieren sind. Damit beschäftigen sich sowohl Controlling
als auch Risikomanagement mit der Zukunft des Unternehmens. Während das
Controlling die Zielwerte (deterministische Planung) liefert, zeigt Risikomanagement
Abweichungspotenziale (stochastische Planung) und deren Steuerungsmöglichkeiten
auf.
Das
Risikomanagement wird in Unternehmen aber oftmals ohne Verbindung zu anderen
Managementsystemen wie dem Controlling aufgebaut. In einem mehr oder weniger
isolierten Prozess werden Informationen zu primär operativen Risiken verwaltet.
Dabei sind aber gerade Risikomanagement und Controlling aufeinander angewiesen.
Zumindest dann, wenn man Risikomanagement nicht nur als leidige Pflichtübung im
Sinne einer Risikobuchhaltung sieht. Das sinnvolle Grundverständnis ist
vielmehr ein entscheidungsorientierter Ansatz des Risikomanagements, es sollen
Risikoinformationen in Entscheidungen einfließen. Der adäquate Umgang mit Risiken ist eine der Kernaufgaben der
Unternehmensführung.
Aber auch im
Controlling werden bei einer Entscheidungsvorbereitung die mit der Entscheidung
verbundenen Risiken sehr häufig nicht adäquat analysiert und
entscheidungsorientiert aufbereitet. Dabei sind es gerade die Risiken, die
unternehmerische Entscheidungen schwierig und den Unternehmenserfolg unsicher
machen.[2]
Ein wesentlicher
Grund für den ungenügenden Umgang mit Risiken im Unternehmen, speziell bei
unternehmerischen Entscheidungen, sieht Gleißner in der vor allem psychologisch
bedingten „Risikoblindheit“. Er führt hierzu aus: „Die Menschen neigen
zunächst dazu, Risiken einfach zu verdrängen und sich nur mit einem, möglichen
dem „gewünschten“ Zukunftsszenario zu befassen. Drängt man nun Menschen sich
mit Risiken zu befassen, die zu anderen Zukunftsszenarien führen könnten,
werden diese Riesen nur stark verzerrt wahrgenommen. Relativ unbedeutende, aber
leicht vorstellbare und plastische Risiken werden überschätzt; eher abstrakte
oder schleichende Risiken systematisch unterschätzt. Und wenn man dieses
Problem der Risikowahrnehmung beseitigt und den Menschen korrekte Informationen
über die Höhe eines bestehenden Risikos vorlegt, werden diese
Risikoinformationen bei einer Entscheidung nicht adäquat berücksichtigt. Die
Intuition der Menschen versagt im Umgang mit Risiko in neuen und komplexen
Entscheidungssituation.“
Als ebenso problematisch sieht er darin, „dass auch in der Controlling-Literatur die eigentlich zentral wichtigen Themen Risikoanalyse, Risikoaggregation (Risikosimulation) und risikogerechte Bewertung kaum behandelt werden. Controller lernen weitgehend ein „Controlling unter Sicherheit“ – die es aber in der Praxis nicht gibt. Man erstellt bei Planung und Budgetierung „pseudosichere“ Planwerte, die – vielleicht – als Zielwerte der Unternehmenssteuerung taugen, aber nicht als Entscheidungsgrundlage. Dafür benötigt man nämlich Erwartungswerte, die „im Mittel“ eintreten; was auch „wahrscheinlichste Werte“ nicht gewährleisten. Oft wird noch nicht einmal erkannt, dass die Planwerte (z.B. bei einer Investitionsrechnung) vollkommen ungeeignet sind. Die nötigen Erwartungswerte kann man aber ohne eine Risikoanalyse, die Transparenz schafft über Chancen und Gefahren, gar nicht ableiten. Und auch eine Entscheidung über die Finanzierungsstruktur ist ohne Kenntnis über den aggregierten Risikoumfang und damit den Umfang möglicher Verluste wenig sinnvoll […].“
Unternehmerische Entscheidungen basieren auf strategischen
Zielen und deren Umsetzung in eine Planung. Und bei jeder Planung muss mit der
Möglichkeit von Planabweichungen, also Risiken, gerechnet werden. Eine
fundierte Entscheidung setzt voraus, dass erwartete Erträge und die damit verbundenen Risiken gegeneinander
abgewogen werden. Bei jeder unternehmerischen Entscheidung sind somit
zwei Faktoren zu berücksichtigen:
- Welcher
Ertrag
beziehungsweise welche Rendite ist zu erwarten?
- Welches
Risiko
ist mit dieser Entscheidung verbunden?
Ein quantitatives, auf Entscheidungen ausgerichtetes
Risikomanagement, die Risikoaggregation als Schlüsseltechnologie und damit auch
eine enge Verknüpfung zwischen Risikomanagement und Controlling sind also mehr
oder weniger die Kernaspekte, um gesetzlichen Anforderungen in der
Unternehmensführung gerecht zu werden und ökonomischen Mehrwert zu generieren.[3]
Durch die Risikoaggregation entsteht in einer Weiterentwicklung des
traditionell einwertigen Controllings eine Bandbreitenplanung, die eine Transparenz
über den Umfang möglicher Planabweichungen und damit die Planungssicherheit
bietet.
Dies bietet auch die Möglichkeit, zu analysieren, ob
das Unternehmen überhaupt die Kapazität hat, das Risiko einzugehen.[4]
Risikotragfähigkeitskonzepte sind ein zentrales Element der
Unternehmenssteuerung. Jedes Unternehmen ist einer Bestandsbedrohung
ausgesetzt, da für jedes Unternehmen Risikoszenarien denkbar sind, die die
Risikotragfähigkeit überstrapazieren. Es sind nämlich in aller Regel nicht
einzelne Risiken, die zu einer Bestandsgefährdung führen, sondern irgendeine
Kombination bestehender Risiken (was die Risikoaggregation zu der Kernaufgabe
des Risikomanagements macht). Neben
einer möglichen Überschuldung ist bei der Frage nach einer bestandsgefährdenden
Entwicklung vor allem auch eine potenzielle Illiquidität zu betrachten. Hierzu
ist es notwendig zu analysieren, ob Kreditlinien im notwendigen Ausmaß zur
Verfügung stehen. Damit gilt es zu analysieren, ob das Rating unter
Risikogesichtspunkten ein kritisches Niveau unterschreiten kann oder es zu
Brüchen von vereinbarten Covenants kommen kann.[5]
Synergien bzw. Verknüpfungen zwischen Risikomanagement und
Controlling ergeben sich aber nicht nur bei der Vorbereitung wichtiger
unternehmerischer Entscheidungen. Auch die Risikoanalyse an sich kann durch das
Controlling sehr gut unterstützt werden. Zum einen können wesentliche Risiken
begleitend zum Planungsprozess identifiziert und am besten auch schon – im Sinne
einer sinnvollen Abschätzung – quantifiziert werden. Bei der Erstellung einer
Planung werden Annahmen getroffen bspw. über die Entwicklung der Umsätze,
Preissteigerungen, Tariflohnsteigerungen oder Zins- und Währungsentwicklungen.
Bei allen solchen wesentlichen Planungsprämissen kann man nun die Frage
stellen, ob deren künftige Entwicklung mehr oder weniger gesichert ist. In der
Regel wird dies nicht der Fall sein, sondern sie werden mit Unsicherheit
behaftet sein. Damit hat man aber eben Risiken identifiziert, die ja mögliche
Planabweichungen charakterisieren. Werden nun bei der Planung nicht nur die
Annahmen als unsicher charakterisiert, sondern auch schon mögliche Bandbreiten
dafür eingeschätzt, so stellen diese eine vielfach schon ausreichend adäquate
Risikoquantifizierung dar.
Auch durch das Controlling durchgeführte Analysen von
Plan-Ist-Abweichung stellen wichtige Erkenntnisse für das Risikomanagement
bereit. Es sollten sich alle erkannten Abweichungen bzw. deren Ursachen im
Risikoinventar des Unternehmens widerspiegeln. Risiken sind die Ursachen für
Planabweichungen, also müssten sich alle (wesentlichen) aufgetretenen
Abweichungen durch bekannte Risiken erklären lassen. Ist dies nicht der Fall,
wurde offensichtlich ein bisher nicht bekanntes Risiko identifiziert. Und auch
die Höhe der eingetretenen Abweichungen ist eine nützliche Information.
Entweder kann sie zur quantitativen Einschätzung eines nun neu identifizierten
Risikos herangezogen werden. Oder, wenn das Risiko schon bekannt war, kann sie
zur Validierung der bestehenden Quantifizierung dienen.
Daneben gibt es aber durchaus weitere Aspekte eines
Zusammenwirkens zwischen Controlling und Risikomanagement. Bspw. ist bei
Risiken mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50% zu fragen, ob diese
nicht eigentlich in der Planung berücksichtigt werden müssten. Dies kann
beispielsweise auch in Form anspruchsvolleren Planwerten oder von
Rückstellungen geschehen. Die quantitativen Risikoanalysen können dabei nicht
nur den Hinweis für eine Planänderung ergeben, sondern auch über die mögliche
Höhe der Planänderung. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ein
Risiko, das in der Planung bspw. über eine Rückstellung berücksichtigt wurde,
normalerweise immer noch im Risikomanagement betrachtet werden muss. Es
bestehen in der Regel nämlich durchaus noch Unsicherheiten. Entweder die
Unsicherheit, ob der eingeplante Betrag ausreicht, das Risiko zu decken, oder
das Risiko vielleicht gar nicht eintritt (Was im Allgemeinen dazu führt, dass
sich daraus eine mögliche Chance ergibt).
Schließlich kann das Zusammenspiel von Controlling und
Risikomanagement auch helfen, geeignete Entlohnungs- und Anreizsysteme im
Unternehmen zu schaffen, die darauf abzielen von Planungsverantwortlichen
„gute“, d.h. realistische, nicht verzerrte Planwerte zu erhalten und von den Risikoverantwortlichen
„gute“ im Sinne von realistischen, nicht verzerrten Risikoquantifizierungen.
Literatur:
Gleißner, W. (2018): Controlling und Risikomanagement im
gemeinsamen Kampf gegen die Risikoblindheit, in: Risk Management Association,
Internationaler Controller Verein (Hrsg.): Vernetzung von Risikomanagement und
Controlling: Grundlagen – Praktische Aspekte – Synergiepotenziale, Erich
Schmidt Verlag, Berlin 2018, S. 21-33.
Gleißner, W. / Wolfrum, M. (2018): Risikotragfähigkeit unter
Rating- und Covenants-Gesichtspunkten, in: Risk Management Association,
Internationaler Controller Verein (Hrsg.): Vernetzung von Risikomanagement und
Controlling: Grundlagen – Praktische Aspekte – Synergiepotenziale, Erich
Schmidt Verlag, Berlin 2018, S. 101-115.
Gleißner, W. / Wolfrum, M. (2019): Risikoaggregation und
Monte-Carlo-Simulation – Schlüsseltechnologie für Risikomanagement und
Controlling, Springer, Wiesbaden 2019.
Schmidt, W. et.al. (2015): Moderne Wertorientierung,
Leitfaden des Internationalen Controller Vereins (ICV), Haufe
Wolfrum, M. (2018): Risikomanagement und Controlling: Status
quo und Weiterentwicklungspotenziale im Überblick, in: Risk Management
Association, Internationaler Controller Verein (Hrsg.): Vernetzung von
Risikomanagement und Controlling: Grundlagen – Praktische Aspekte –
Synergiepotenziale, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2018, S. 15-20.
[1]
Vgl. Schmidt et.al. (2015).
[2]
Vgl. Gleißner (2018).
[3]
Vgl. Gleißner, Wolfrum (2019)
[4]
Vgl. Gleißer, Wolfrum (2018).
[5]
Viele
Unternehmen hoher Bonität haben einen so hohen Abstand zu dem „kritischen
Punkt“ der Bestandsgefährdung, dass diese für die Unternehmenssteuerung
ergänzend einen zweiten Schwellenwert betrachten, bezüglich dessen die
Risikotoleranz gemessen wird.