Bestandsgefährdung & Risikotragfähigkeit

Die Begriffe bestandsgefährdende Entwicklung und Risikotragfähigkeit sind eng miteinander verknüpft. Die Risikotragfähigkeit ist das zentrale Steuerungsmaß, um zu beurteilen, wann eine bestandsgefährdende Entwicklung droht.

🔍 Was bedeutet das konkret?

  • Bestandsgefährdende Entwicklung beschreibt Zukunftsszenarien, in denen das Fortbestehen eines Unternehmens gefährdet ist – häufig durch drohende Illiquidität oder Überschuldung. Entscheidend ist das Zusammenspiel mehrerer Risiken, die gemeinsam existenzbedrohend wirken. [4]
  • Risikotragfähigkeit ist die Fähigkeit eines Unternehmens, aggregierte Gesamtrisiken mit dem vorhandenen Risikodeckungspotenzial (z. B. Eigenkapital, Liquiditätsreserven) zu bewältigen, ohne bestandsgefährdet zu sein. [2]
  • Die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen erfordert eine quantitative Risikoaggregation, bei der Risiken nicht isoliert, sondern in ihrer Kombination analysiert werden. [1]

📖 Rolle des DIIR Revisionsstandards Nr. 2 (RS 2)

  • Der DIIR RS 2 fordert, dass die Interne Revision prüft, ob das Risikomanagementsystem geeignete Methoden zur Risikoaggregation nutzt. [3]
  • Die Risikotragfähigkeit wird als Verhältnis von Risikodeckungspotenzial zu aggregiertem Gesamtrisikoumfang definiert. Eine vorsichtige Risikotoleranz soll zusätzlichen Sicherheitsabstand schaffen. [7]
  • Auch Auswirkungen auf Kreditratings und Kreditkonditionen sind zu berücksichtigen, da sie wichtige Indikatoren für bestandsgefährdende Entwicklungen sein können. [8]

Zusammengefasst: Die Risikotragfähigkeit legt quantitativ fest, wie viel aggregiertes Risiko ein Unternehmen tragen kann, ohne seine Existenz zu gefährden. Wird dieses Maß überschritten, liegt eine bestandsgefährdende Entwicklung vor. Die Risikoaggregation ist der methodische Schlüssel zur Früherkennung. Der DIIR RS 2 stellt sicher, dass diese Zusammenhänge systematisch und prüfbar behandelt werden.

📚 Quellen

  1. RiskNET – Risikoaggregation & Risikotragfähigkeit
  2. Risikoaggregation.de – Risikotragfähigkeit
  3. RMA – DIIR RS 2
  4. FutureValue – Bestandsgefährdende Entwicklung
  5. Wikipedia – Risikotragfähigkeit
  6. Rödl & Partner – IDW PS 340
  7. RiskNET – Quantifizierung
  8. Werner Gleissner – Bestandsgefährdung
  9. IDW – EPS 340
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Konkret: Erkennung einer Bestandsgefährdung nach StaRUG

Die Erkennung einer Bestandsgefährdung im Sinne des StaRUG erfolgt durch eine systematische, fortlaufende Überwachung und Bewertung der Unternehmensrisiken. Der Prozess kombiniert qualitative und quantitative Methoden und muss fest in die Unternehmensorganisation integriert sein.

🧭 Wesentliche Schritte zur Erkennung

✅ 1. Implementierung eines Früherkennungssystems

  • Verpflichtend für haftungsbeschränkte Unternehmen (z. B. GmbHs, AGs)
  • System muss individuell auf Größe, Branche und Geschäftsmodell abgestimmt sein

✅ 2. Regelmäßige Risikoanalyse und Risikoaggregation

  • Identifikation von Einzelrisiken (z. B. Markt-, Kredit-, Liquiditäts-, operative Risiken)
  • Analyse der Wechselwirkungen durch Risikoaggregation (z. B. Monte-Carlo-Simulationen)
  • Aggregierte Insolvenzwahrscheinlichkeit > 5–10 % gilt als Indikator für Bestandsgefährdung

✅ 3. Messung anhand von Kennzahlen und Frühindikatoren

  • Überwachung finanzieller Kennzahlen: Liquidität, Eigenkapitalquote, Cashflow, Kredit-Covenants
  • Festlegung von Schwellenwerten (z. B. Liquiditätsgrad, Verschuldungsgrad)
  • Frühindikatoren: Kundenverhalten, Auftragseingang, Markttrends, Rating-Verschlechterung („B-“ oder schlechter)

✅ 4. Fortlaufende Überwachung und Aktualisierung

  • Risikoanalyse muss dynamisch sein – keine jährliche Einmalprüfung!
  • Laufende Aktualisierung bei veränderten Rahmenbedingungen
  • Sorgfältige Dokumentation aller Maßnahmen und Entscheidungen

✅ 5. Rechtzeitige Einleitung von Gegenmaßnahmen

  • Bei kritischer Bestandsgefährdung: sofortige Maßnahmen und Information des Aufsichtsorgans
  • Mögliche Maßnahmen: Restrukturierungsplan, Gläubigerverhandlungen, Investitionsstopp, Kostenmanagement

📊 Praxisbeispiele und Indikatoren

IndikatorTypische Schwelle
Liquiditätsreichweite5–10 %
Rating„B-“ oder schlechter
Kredit-Covenants verletztKündigungsrechte aktiviert
Negative Eigenkapitalquote< 0 %
Operative PlanabweichungenWiederkehrende Verluste

🧾 Zusammenfassung

Die Bestandsgefährdung nach StaRUG wird durch eine laufende, systematische Analyse und Aggregation der Unternehmensrisiken erkannt. Liegen erhebliche aggregierte Risiken vor – etwa eine erhöhte Insolvenzwahrscheinlichkeit, finanzielle Schieflage oder Verletzung von Kreditauflagen –, sind unverzüglich Gegenmaßnahmen einzuleiten.

🔗 Quellen

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